Quo Vadis
Fragen zu Digitalisierung und KI
Digitale, also prozessorgestützte (Computer) Anwendungen hielten und halten in vielen Bereichen Einzug. Es begann mit einfachen, unterstützenden Anwendungen wie zum Beispiel CAD (Computer Aided Design), oder CAM (Computer Aided Manufacturing) und wurde dann bei zahllosen, das Arbeiten unterstützenden Verfahren in zunehmendem Maße eingesetzt. Augenoperation, Mikro-Chirurgie, Prozesssteuerungen in der chemischen Industrie, Laserschweißen, von Videokonferenzen ganz abgesehen – die Aufzählung lässt sich beinahe endlos fortsetzen und wird sprichwörtlich täglich länger. Computer mit ausgefeilten Programmen unterstützen in hohem Maße Experten bei komplexen Vorgängen und erwecken dadurch in Laien den Eindruck, sie wären es, die nun das Heft in der Hand hätten.
Das allerdings ist schon im Ansatz falsch, wie einige Beispiele deutlich aufzeigen:
Chirurgen können von Rechnern mit angeschlossenen Sensoren und Werkzeugen wie z.B. Laser-Skalpellen profitieren. Aber Ihre Erfahrung und ihr Sachverstand ist von absoluter Bedeutung wenn mit solchen Werkzeugen hantiert wird. Die sicher eindrucksvolle Technik kann unterstützen – aber das ist auch schon alles.
Musiker können mit Software, Computer und einer Tastatur Stücke aufnehmen. Wollen Sie das gespielte „Werk“ dann durch reale Instrumentalisten darbieten lassen, wären ausgedruckte Noten von Nutzen. Lässt man das Programm diese Eingaben drucken, erscheint wie durch Zauberhand ein Notenblatt – allerdings unspielbar für andere Musiker, weil selbst geringste Verzögerungen beim Einspielen, oder auch die Anpassung des Spiels an Einschwingprozesse der wiedergegebenen Instrumente, ein konfuses Notenbild ergeben. Ist der schaffende Musiker nicht ausgebildet und in der Lage korrigierend einzugreifen, produziert er mit seinem neuen Werkzeug einfach nur Unsinn.
Und noch ein Beispiel aus der Medizin: Die Einführung der Computertomographie, kurz CT, in den späten siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts erlaubte der Röntgentechnik ganz neue und detaillierte Einblicke in den menschlichen Körper. Die zahlreichen Bilder, bzw. „Schnitte“ zeigten in hoher Auflösung Dinge, die sonst nicht nur dem Auge, sondern auch dem normalen Röntgenbild verborgen blieben. Hierdurch konnten Veränderungen, Fehlstellungen und vieles mehr schnell erkannt und dem behandelnden Arzt oder auch Chirurgen wertvolle Informationen gegeben werden. Diese Technik wurde natürlich ebenfalls digitalisiert, d.h. die Bilder in Pixel aufgelöst. Hierdurch kann nun ein Programm schneller als jeder Radiologe Veränderungen aufspüren und damit dem Arzt zeigen, wo sich z.B. gerade ein Tumor entwickelt. Die Frage ist dann nur, ob dieser leuchtende Fleck wirklich ein Tumor ist oder etwas anderes. „Ich sehe was, was Du nicht siehst“ ist ein lustiges Spiel, aber mehr Leistung erbringen diese Programme und Verfahren auch nicht. Wenn der Verdacht auf etwas bösartiges besteht und man sicher gehen möchte, muß der behandelnde Arzt ganz analog selbst nachschauen, d.h. unter Umständen operieren. Allerdings weiß er dank der Technik wo genau er suchen muß – und das ist eine große Hilfe.
Auch ohne unendlich viele Beispiele zu nennen, kann man sicher verstehen wie wichtig eine genaue Kenntnis der zu unterstützenden Vorgänge und Arbeiten ist. Das entspricht einem Maß an Vorbildung die weit über das Lesen einer Bedienungsanleitung hinausgeht. Schnell einmal „googeln“ nützt leider nichts, wenn man die Suchergebnisse nicht richtig bewerten kann. „Mal eben nachlesen hilft, wenn überhaupt, auch nur einigen Fachleuten.
Es steht außer Zweifel, dass die vielen, gesteuerten und mit zahlreichen Sensoren ausgestatten Geräte im Alltag hilfreich sind oder sein können. Der daraus resultierende Ruf nach immer weitergehender „Digitalisierung“ erscheint unter diesem Blickwinkel logisch, ist in den meisten Fällen vor allen Dingen aber ein Hilferuf, weil viele Menschen unserer Bevölkerung mit den ständig steigenden Aufgaben die sich ihnen stellen und den Ansprüchen die sie an sich selbst haben, nicht mehr fertig werden. „Mehr, schneller, besser, billiger, flexibler, genauer und produktiver“ – es dürfte keine Frage sein, dass zukünftig noch viele mehr von uns einfach zurückgelassen werden.
Das gefällt sicher nur den wenigsten. Aber – niemand möchte verzichten. Alle wollen überall teilhaben und gefragt werden. Trotzdem wächst bei manchen langsam die Erkenntnis, dass es das Land „Schlaraffia“ nur in unseren Träumen gibt.
Die konsequent folgende Frustration führt zu persönlichen, leider aber auch gesellschaftlichen Problemen. Um das wenigstens einigermaßen in den Griff zu bekommen, wäre eine gewisse Lösung aus der selbst auferlegten Umklammerung der neuen Medien angebracht. Wir sollten uns weder in Politik noch Gesellschaft vor Verantwortung drücken und die eigene Konzeptlosigkeit mit unverstandenen Begriffen kaschieren.
Wie schon eingangs erwähnt entstehen beim Digitalisieren viele Nullen und Einsen – und die halten sich auch gesellschaftlich gesehen nicht immer die Waage…